Wie solidarisch ist Deutschland? – Warum Arme arm bleiben und die Reichen reicher werden (44:04)

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Inhalt

Die Schere zwischen Arm und Reich

Abstract

Unter Wirtschaftsökonomen und Sozialwissenschaftlern gibt es einen breiten Konsens darüber, dass eine zunehmende Ungleichheit destabilisierend wirkt.

In dieser Reportage wird grundsätzlich das Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich thematisiert. Dazu werden Zahlen, Daten und Fakten geliefert, die die Richtung beschreibt, in die wir uns in Deutschland aber auch weltweit bewegen.

Es werden auch einige Ursachen benannt, die die Politik vor allem mit den rot-grünen Reformen sehr verschärft hat.

 

Beschreibung

1994 gehörten in Deutschland noch 64% zur Mittelschicht. 2013 waren es nur noch 58% was bedeutet, dass ca. 4 Millionen Menschen aus der Mittelschicht verschwunden sind und die sind nicht in die Oberschicht aufgestiegen.

Zur Mittelschicht gehört man laut DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) bereits, wenn man als Single 1.200 EUR oder als vierköpfige Familie 2.300 EUR netto pro Monat verdient. Mit 2.350 EUR netto als Single und 6.000 EUR netto als vierköpfige Familie gehört man bereits zu den Reichen!

Das bedeutet aber auch, dass einer Familie mit 35.000 EUR pro Jahr nach Abgaben und Steuern weniger als das Existenzminimum bleibt. Arbeitslose Mittelschichtler sacken fast sofort auf Hartz-IV-Niveau.

Obwohl Deutschland die 5-reichste Nation ist, steigt die Armut und jedes vierte Kind wächst in Armut auf. Immer mehr Menschen leben in prekären Verhältnissen oder sogar im sog. abgehängten Präkariat.

Besonders außergewöhnlich: Während in der kurzen Aufschwungphase von 2005 bis 2008 die Unternehmensgewinne explodierten, stagnierten die Reallöhne insgesamt und in den untersten Einkommensschichten sanken sie sogar erheblich.

Ganz maßgeblich dazu beigetragen haben die rot-grünen Steuerreformen (denen schwarz-gelb im Bundesrat aber ebenfalls zugestimmt hat) und die Agenda 2010, durch die der Staat seitdem jährlich auf 60 Milliarden Euro Steuereinnahmen verzichtet. Hier wurden die z. B. die Spitzensteuersätze von 53% radikal auf 42% gesenkt. 1949 lag der Spitzensteuersatz noch bei 95%!

Hinzu kommt, dass Reiche vor (und sogar in) der Finanzkrise enorm profitiert haben. Die Kosten der Finanzkrise hat aber im Wesentlichen die Mittelschicht getragen.

Das Ganze geht soweit, dass sich Millionäre mit den Armen solidarisieren und sich in Stiftungen (wie der Dieter Lehmkuhl Stiftung) dafür einsetzen, dass Reiche wieder stärker besteuert werden.

 

Bewertung

Ein guter Einstieg in die Thematik der Geldumverteilung von unten nach oben (gelegentlich wird ja behauptet, dass es umgekehrt sei). Hier kommt auch der berühmte Politikwissenschaftler, Soziologe und Buchautor Colin Crouch zu Wort, sowie die TAZ-Journalistin und Buchautorin Ulrike Herrmann.

Schön auch, dass solch ein kritischer Beitrag von den öffentlich-rechtlichen produziert und ausgestrahlt wurde. Viele Leute, die mit alternativen Medien nicht vertraut sind, finden zunächst nur schwer einen Zugang dazu.

Leider fehlen aber auch ganz wesentliche Elemente, denn die Agenda 2010 und die rot-grünen Steuerreformen haben eine ohnehin bestehende Problematik nur noch weiter verschärft: Die Umverteilung von unten nach oben durch unser Geldsystem, welche sehr gut und knapp in dem von mir bereits rezensierten Video „Fehler im Geldsystem?“ beschrieben ist.

Auch vom Neoliberalismus als vorherrschender Gedanke mindestens der letzten 30-40 Jahre ist keine Rede, d. h. es wird kaum auf die zugrundeliegende wirtschaftliche Problematik eingegangen.

Aus diesem Grund und auch auf Grund der Länge gibt es von mir 4 Sterne.

 

Erkenntnisse

Der Beitrag scheint sich sehr auf das Buch „Hurra, wir dürfen zahlen – Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ von Ulrike Herrmann zu stützen (das ich auch noch rezensieren werde). Viele der genannten Zahlen gleichen denen aus ihrem Buch.

Eine erschreckende Erkenntnis ist die: Laut Reportage sind ca. 66% der Deutschen der Meinung, dass das finanzielle Problem der Mitte sei, dass sie viel zu viele Schwache, Arme oder Kranke mitfinanzieren müssten. Die empirischen Daten (sowie das o. g. Video „Fehler im Geldsystem?“) sprechen da eine ganz andere Sprache.

Jahrhunderte oder Jahrtausende lang war für die unteren Schichten immer klar, dass sie für eine Ursache ihrer Probleme auf die Eliten schauen müssen. Geändert hat sich daran aus meiner Sicht nichts, aber irgendwie scheint es zu gelingen, dass sich Mittel- und Unterschicht mit sich selbst beschäftigt.

Viele scheinen zu glauben, dass „wir den Gürtel enger schnallen müssen“ und dass „wir uns den Sozialstaat in seiner bisherigen Form nicht länger leisten können“, da ihnen nicht bekannt ist, dass der Staat freiwillig auf ganz wesentliche Einnahmequellen verzichtet.

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